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bvse-Altkunststofftag: Kunststoffkreislauf ja, aber wie?

Beim 24. bvse-Altkunststofftag, der mit mehr als 300 Teilnehmenden gut besucht war, diskutierten Experten aus Industrie, Wissenschaft und Politik Fragen der Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe.


Nach einem Grußwort von bvse-Präsident Henry Forster (hier rechts im Bild) zur Eröffnung des 24. Internationalen Altkunststofftags in Neuss fasste Martin Bäcker, Leiter Preisteam des Brancheninformationsdienstes KI, in seinem Vortrag über „Preise und Märkte“ die Rückmeldungen der Branche folgendermaßen zusammen: hohe Nachfrage bei gleichzeitig geringer Verfügbarkeit, große Volatilität und „eklatante Preisunterschiede“ in den europäischen Rezyklatmärkten. Die von KI monatlich befragten Unternehmen berichteten laut Bäcker von hohem Zeit- und Energieaufwand, um an geeignetes Recyclingmaterial zu kommen. Ähnliches war auch Thema in der anschließenden, hochkarätig besetzten Podiumsdiskussionsrunde mit Gunda Rachut (Vorständin der Zentralen Stelle Verpackungsregister), Dr. Bettina Rechenberg (Leiterin Fachbereich III „Nachhaltige Produkte und Produktion, Kreislaufwirtschaft“ beim Umweltbundesamt), Dr. Martin Engelmann (Hauptgeschäftsführer IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen), Johannes Walter (Referent Abfallwirtschaft im Umweltministerium Brandenburg | UMK-Sonderarbeitsgruppe RESAG Förderung des Rezyklatmarktes für Kunststoffe) und Dr. Herbert Snell (Vizepräsident des bvse-Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V.) unter der Leitung von Stefan Krafzik (Chefredakteur 320°) zur Umsetzung der EU-Kunststoffstrategie in Deutschland: die Entwicklung der Kunststoffmärkte im schwierigen Umfeld von steigenden Energiepreisen, drohender Rezession, Logistikproblemen, Rohstoff- und Arbeitskräftemangel. Einig war man sich darüber, dass viel in Bewegung sei und sich auch bereits getan habe in Sachen Kreislaufführung von Kunststoffen. Konsens gab es auch dazu, dass es zur Förderung des Kunststoffrecyclings einheitliche Standards für die Gestaltung recyclingfreundlicher Verpackungen nicht nur in Deutschland, sondern auch auf EU-Ebene brauche. Doch darüber, wie solche Standards für die Recyclingfähigkeit von Verpackungen und eine europäische Kunststoffstrategie insgesamt ausgestaltet werden soll, waren die Diskutanten ebenso unterschiedlicher Meinung wie zur Frage, welche Rolle das chemische Recycling in Zukunft spielen wird.

Im Workshop „Wege zu mehr Kunststoffrecycling – Förderinstrumente und Technologien“ der BKV GmbH ging es ebenfalls um das chemische Recycling. Doch zuvor waren nach einführenden Worten von Dr. Martin Engelmann, IK-Hauptgeschäftsführer und Mitglied im BKV-Beirat (s. Foto rechts), im ersten Teil des Workshops „Förderinstrumente für mehr Rezyklateinsatz“ Thema. Die Diskussion dazu, moderiert von BKV-Geschäftsführer Dr. Ingo Sartorius, wurde mit zwei kurzen Impulsvorträgen eingeleitet: Dr. Thomas Kirschstein vom Fraunhofer-Zentrum für Internationales Management und Wissensökonomie IMW erläuterte zentrale Ergebnisse einer Studie zur Bewertung von ökonomischen Politik-Instrumenten zur Förderung des Kunststoffrecyclings. Zu den in der Studie betrachteten Preisinstrumenten wie der Kunststoff- und CO2-Bepreisung von Müllverbrennungsanlagen (MVA) sowie zu Mengeninstrumenten wie erzeugnisspezifischen Rezyklateinsatzquoten, polymerspezifischen Substitutionsquoten und Recyclingquoten wurden laut Kirschstein nur rein qualitative Aussagen formuliert. So wäre laut Studie unter anderem eine Kombination aus nachfrage- und angebotswirksamen Instrumenten zur Förderung des Kunststoffrecyclings sinnvoll. Um die Rezyklatproduktion zu steigern und die Aufbereitungskosten zu senken, sollten über die dualen Systeme Vorgaben zur Recyclingfähigkeit von Verpackungen gemacht werden, lautet unter anderem eine der Handlungsempfehlungen der Studienautoren. Auch über die Lizenzgebühren könnten laut der Untersuchung ökonomische Anreize zum Einsatz von Rezyklaten einfacher umgesetzt werden als durch die Einführung verbindlicher Rezyklateinsatzquoten. Im zweiten Impulsvortrag schilderte Andreas Witschnigg von PreZero Polymers Austria die Perspektive des Recyclingunternehmens aus der Praxis. Als Lenkungsinstrument sei, so Witschnigg, vor allem eine „Design Revolution“ notwendig, damit Verpackungen mehr und besser recycelt werden können, sowie unter anderem klare Richtlinien für den Rezyklateinsatz und EU-weit harmonisierte „Recycling Guidelines“.

An der anschließenden Diskussionsrunde nahmen auch Dr. Bettina Rechenberg (UBA) und Klaus-Peter Schmidt (Mauser Werke GmbH) teil. Dr. Rechenberg schilderte den Stand der Überlegungen in ihrem Haus zu Lenkungsinstrumenten für das Kunststoffrecycling und betonte, dass man für den Ressourcenschutz und zum Schließen des Kreislaufs die Vermeidung von Kunststoffen mit bedenke. Über eine CO2-Abgabe für die Müllverbrennung werde in ihrem Hause aber nicht diskutiert. Daten aus skandinavischen Studien hätten keine Lenkungswirkung einer solchen Abgabe belegt. Weiteres Potenzial, das es zu heben gelte, sehe sie in den Bereichen Elektro und Automobil. Rechenberg halte einen klugen Mix von Instrumenten auf der Angebots- und Nachfrageseite für notwendig und sei für eine Kombination, die dazu führt, dass Vermeidung mitgedacht wird und Wertschöpfungsketten überschaubar bleiben. Für Dr. Christoph Epping, der als Vertreter des Bundesumweltministeriums (BMUV) zur Teilnahme an der Diskussionsrunde im zweiten Teil des BKV-Workshops eingeladen war und von Dr. Sartorius auch zu den Lenkungsinstrumenten um Stellungnahme gebeten wurde, sei bei der Auswahl geeigneter Instrumente eine wichtige Frage, wo es bei Kunststoff in Zukunft hingehen soll. So werde die Versorgung der Industrie mit Rohstoffen ein immer wichtigeres Thema und damit auch unter anderem die Frage, mit welchen Instrumenten sich der Materialinput senken und der Kreislauf schließen lasse.

Teil 2 des Workshops startete mit kurzen Vorträgen zum Thema „Moderne Recyclingtechnologien“ von Dr. Jörg Rothermel (VCI) und Dr. Klaus Wittstock (BASF). Dr. Rothermel erweiterte in seiner Präsentation die Perspektive vom Kunststoff- hin zum Kohlenstoffkreislauf, der zum Beispiel mit Hilfe innovativer Verfahren wie dem chemischen Recycling und „CO2-Recycling“ (Biomasseeinsatz und der Nutzung von CO2 als Rohstoff) zu schließen sei. Dr. Wittstock betonte in seinem Vortrag zur Rolle des chemischen Recyclings, dass der Einsatz von Verfahren wie der Pyrolyse nur dort sinnvoll sei, wo mechanisches Recycling von Kunststoffen nicht möglich ist, also bei verunreinigten, gemischten Kunststoffabfällen. Auch aus seiner Sicht gehe es bei der Transformation der Industrie hin zur Kreislaufwirtschaft um die Zirkularität von Kohlenstoff und nicht nur von Kunststoff. Mit chemischem Recycling könne die Zirkularität des Kohlenstoffs gesichert werden, doch brauche es stabile und positive Rahmenbedingungen als Voraussetzung für Investitionen. In der Diskussion des Themas, an der neben Dr. Rothermel und Dr. Wittstock auch Dr. Epping und Henry Forster teilnahmen, wies Dr. Epping eine „chemische Recyclingfeindlichkeit in Deutschland“ zurück. Anlagen und Ausbeuten chemischer Recyclingverfahren müsse man sich erst einmal in der Realität ansehen. Schließlich handle es sich um sehr energieintensive Verfahren. Für Dr. Wittstock gehe es bei den Rahmenbedingungen für chemische Recyclingverfahren eher darum, ob zum Beispiel Inverkehrbringer von Verpackungen aus dem chemischen Recycling sagen dürfen: „Da ist Rezyklat drin. Die Verpackung ist recyclingfähig“. Bedauerlicherweise kam Henry Forster dazu nicht mehr zu Wort, weil die Diskussionsrunde wegen eines Feueralarms ein abruptes Ende nahm.
 

Quellen:

  • BKV (28.6.2022)
  • Fotos: © BKV
 

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