Weniger großes Mikroplastik an deutschen Stränden als erwartet
Forschende des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) haben mit Unterstützung von Bürgerinnen und Bürgern in einer Studie erforscht, wie viel Mikroplastik sich an den Stränden entlang der deutschen Ost- und Nordseeküste und auf den Inseln findet. An 71 Stränden sind dazu laut AWI über 1.100 Proben genommen worden. Die Sandproben wurden im Labor gezielt auf größeres Mikroplastik zwischen einem und fünf Millimeter Größe untersucht, um eine Verunreinigung mit kleineren Teilchen aus der Luft oder von der Kleidung der Helfer auszuschließen. Laut der Studie, die in der Fachzeitschrift „Frontiers in Environmental Science“ veröffentlicht wurde, waren 52 von 71 Stränden mit durchschnittlich vier Kunststoffpartikeln pro Quadratmeter verunreinigt.
Wie stark die Strände an der Nord- und Ostsee mit Mikroplastik belastet sind, war laut AWI bisher nur für einzelne Regionen untersucht worden, aber nicht für die gesamte deutsche Küste und die Inseln. Das AWI hatte das Bürgerwissenschaftsprojekt mit dem Titel „Mikroplastikdetektive“ daher initiiert, um repräsentative Großproben von Sandstränden entlang der gesamten deutschen Küste zu erhalten und die Mikroplastikverschmutzung zu quantifizieren. 300 Bürgerinnen und Bürger sammelten zwischen September 2021 und Dezember 2022 unter Anleitung des AWI für die Analyse auf Kunststoffpartikel nach dem Zufallsprinzip Proben an 71 Orten entlang der deutschen Küste und dabei insgesamt 2,2 Tonnen Sand. Die Proben schickten die Beteiligten an das AWI. Der Sand wurde im Labor mehrere Tage getrocknet, dann gesiebt und die darin zurückgehaltenen mutmaßlichen Kunststoffpartikel zunächst unter einem binokularen Mikroskop inspiziert und der Größe nach sortiert bevor sie mittels der sogenannten abgeschwächten Totalreflexions-Fourier-Transform-Infrarot-Spektroskopie (ATR-FTIR) analysiert wurden. Dabei wird für die Oberflächenuntersuchung von Stoffen wie Polymeren infrarotes Licht durch einen Kristall geschickt, an dem die Probe befestigt ist. Gemessen wird die absorbierte Strahlung, woraus ein Spektrum berechnen wird, das auch Rückschlüsse auf die chemische Zusammensetzung und damit das Material der Probe zulässt. Laut Studie enthielten 177 von den insgesamt 1.139 Proben und damit umgerechnet 15,5 Prozent insgesamt 260 unterschiedlich große Kunststoffpartikel. Das entspricht im Durchschnitt etwa vier Plastikteilchen pro Quadratmeter. Bei 77 davon bzw. 29,6 Prozent habe es sich um Mikroplastikpartikel zwischen einem und fünf Millimeter Größe gehandelt. Die meisten der 260 Kunststoffpartikel ordneten die Forscher den Kategorien Fragmente (91) zu, gefolgt von Folien (53), Schaumstoffen (44), Fasern (38) und Pellets (24). Rund 89,6 Prozent der mittels ATR-FTIR-Analyse untersuchten Plastikpartikel bestanden aus Polyethylen, Polypropylen, Polyester und Polystyrol. „Obwohl wir an 52 von 71 Stränden Plastik gefunden haben, war die Belastung durch großes Mikroplastik an der Nord- und Ostsee mengenmäßig geringer im Vergleich zu anderen Studien“, kommentiert Erstautor Bruno Walther die Ergebnisse. Co-Autorin Melanie Bergmann erklärt das unter anderem damit, dass die Beprobungsorte an den Stränden zufällig ausgewählt wurden. Andere Studien hätten sich vor allem auf Anreicherungsorte wie Spülsaume konzentriert. „Unsere Studie liefert erstmals vergleichbare Daten zur großräumigen Verteilung der Plastikbelastung entlang der gesamten deutschen Küste mit einheitlichen Methoden“, betont Bergmann. Die Studie zeige, dass eine groß angelegte, wissenschaftlich strenge Überwachung der Mikroplastikverschmutzung auf nationaler Ebene und möglicherweise in einem größeren räumlichen und zeitlichen Maßstab möglich sei. Mit Hilfe lokaler Behörden könnte ein solches Überwachungsprogramm eingerichtet werden, so Bergmann. Dies sei unter anderem notwendig, um den Status quo zu kennen und den Erfolg politischer Maßnahmen zur Begrenzung der Plastikverschmutzung beurteilen zu können.
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