
Frau Dr. Braun, in jüngster Zeit ist wieder überall zu lesen: Mikroplastik in Fisch, Salat, Trink- und Mineralwasser… Der Laie stellt sich da schon die Frage: Wie kann Mikroplastik in Lebensmitteln und Getränken überhaupt nachgewiesen und bestimmt werden?
Die Analytik von Mikroplastik in Umweltproben, aber insbesondere auch in Lebensmitteln, stellt tatsächlich eine Herausforderung für Analytiker*innen dar. Die chemische Struktur von synthetischen Polymeren – also dem Hauptbestandteil von Mikroplastik – unterscheidet sich nur sehr geringfügig von den in der Regel deutlich häufigeren, natürlichen Partikeln. Darüber hinaus lassen sich Partikel im unteren Mikrometerbereich verfahrensbedingt nur sehr aufwendig nachweisen. Mikroplastikanalysen sind fehleranfällig, insbesondere durch die Kontamination von z.B. luftgetragenen Partikeln oder dem Verlust von Partikeln durch zum Teil notwendige, aufwendige Aufbereitungsverfahren.
Verfahren zur Mikroplastikanalytik müssen also nicht nur den chemischen „Fingerabdruck“ der Mikroplastikpartikel eindeutig identifizieren können, sie müssen auch sehr sensitiv über einen breiten Größenbereich sein und letztlich praxistauglich für repräsentativen Aussagen. Sie müssen also schnell, valide und vergleichbar sein.
Mikroplastik kann man mengenmäßig bestimmen oder nach Partikelanzahl. Gibt es hier in diesen Bereichen validierte Verfahren oder Methoden?
Bei der Analytik vom Mikroplastik wird unterschieden zwischen Verfahren, die Partikelzahlen bestimmen, das sind die mikroskopisch-spektroskopischen Methoden, und Verfahren, die Massengehalte bestimmen. Zu letzteren gehören die thermoanalytischen und die chemischen Verfahren, welche anhand thermisch oder chemisch extrahierter Information auf den Gesamtgehalt an Mikroplastik in der Probe schließen lassen. Die Informationen beider Verfahrensarten, das heißt Partikelgröße bzw. -anzahl und Massengehalte, lassen sich nicht ineinander umrechnen, da die Partikel in sehr variablen Formen vorliegen: irreguläre oder sphärische Partikel, Fasern, Folienfragmente etc..
Es wird aktuell im Rahmen des BMBF Forschungsschwerpunktes „Plastik in der Umwelt“ versucht, die bestehenden Verfahren hinsichtlich ihrer Aussagefähigkeit und Limitationen zu bewerten. Das gestaltet sich als sehr schwierig, da allein realitätsnahe Referenzmaterialien und Prüfsysteme mit annehmbarer Homogenität nur schwer zu beschaffen sind.
Generell zeigt sich aber bereits, dass spektroskopische Verfahren zeitaufwendiger sind. Thermoanalytische Verfahren können durch die Möglichkeit ihres höheren Probendurchsatzes und aufgrund der minimalen Anforderung an eine Probenvorbereitung Ergebnisse mit akzeptabler Streuung liefern.
Woran lässt sich erkennen, ob die richtige Methode im Hinblick auf die Fragestellung ausgewählt und dann korrekt angewandt wurde?
Im Vordergrund steht die Überlegung: Welches Ergebnis soll erzielt werden und was ist die Anforderung an die Messungen hierfür? Anhand der Antworten muss die Methodik gewählt werden, auch unter Berücksichtigung des zu beprobenden Mediums. So stellt zum Beispiel die regulatorische Überwachung von Anlagen oder Lebensmitteln andere Anforderungen an Repräsentativität, Vergleichbarkeit und analytische Informationstiefe wie zum Beispiel der Anspruch, die Wirkung eines individuellen Partikels auf einen Organismus zu beschreiben.
Die Omnipräsenz von Kunststoffen in unserem Alltag führt dazu, dass Mikroplastik in fast jeder Probe gefunden werden kann. Bisherige Ergebnisse über das Aufkommen von Mikroplastikpartikeln in Umweltmedien sind jedoch kritisch zu hinterfragen. Die verschiedenen Methoden zur Mikroplastik Detektion und Quantifizierung befinden sich zum Teil noch in der Optimierungsphase und eine Validierung der Datenqualität steht noch aus.
(August 2020)
Foto: © BAM