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Interview: Auf dem richtigen Weg zur internationalen Standardisierung

Aus Anlass der Abschlusskonferenz des Förderschwerpunktes „Plastik in der Umwelt“, bei dem sich mehrere Verbundprojekte auch mit Modellierungen und Messmethoden zur Analyse der Kunststoffeinträge in Böden und Gewässer befasst haben (s. dazu unseren Bericht), haben wir einen Fachmann, der es wissen muss, zur Einordnung der Ergebnisse und zum Stand bei der Standardisierung der Messmethoden befragt: Dr. Claus Gerhard Bannick ist Fachgebietsleiter Abwassertechnikforschung beim deutschen Umweltbundesamt (UBA).

 

Herr Dr. Bannick, unlängst fand online die Abschlusskonferenz zum BMBF-Förderschwerpunkt „Plastik in der Umwelt“ statt. Acht der Verbundprojekte befassten sich im weiteren Sinne mit dem Thema „Mikrokunststoffe im Wasserkreislauf“. Gab es für Sie am Ende zählbare Ergebnisse zu diesem Thema?

 

Auf jeden Fall. Mit diesem Vorhaben hat Deutschland ein absolutes Alleinstellungsmerkmal in der internationalen Mikroplastikforschung – wir müssen dem BMBF hier sehr dankbar sein, dieses Thema so rechtzeitig aufgegriffen zu haben. Gerade was die Methodenentwicklung angeht, ist in den verschiedenen Projekten eine Menge geleistet worden. Ohne harmonisierte Verfahren ist ein Vergleich von Ergebnissen aus verschiedenen Projekten, Bereichen oder auch Erdteilen nicht möglich.

Besonders hervorheben möchte ich in diesem Zusammenhang auch die sogenannten Querschnittsthemen-Gruppen. Hier trafen sich Mitarbeitende aus allen Projekten, um die gewonnenen Erkenntnisse zusammen zu tragen. Besonders wichtig aus meiner Sicht war hier die Querschnittsgruppe „Analytik“, die ein Statuspapier zur Mikroplastik-Untersuchung erarbeitet hat, welches wir aktuell in die internationale Normung eingespeist haben, um daraus einen ISO-Standard zu machen. Es reicht eben nicht, nur in Deutschland oder Europa ein gutes Verfahren zu haben. Plastik in der Umwelt ist eine internationale Herausforderung, für die wir auch globale Daten nach einheitlicher Methodik brauchen.

 

Nicht nur beim Thema Mikrokunststoffe mangelt es trotz vieler Untersuchungen an validen und vergleichbaren Daten. Der Ruf nach Standardisierungen sowohl bei Definitionen als auch bei Messmethoden hallt schon lange durch die Fachwelt. Warum geht es dabei aus Ihrer Sicht nicht wirklich voran?

 

Hier möchte ich deutlich widersprechen. Im Bereich der Normung geht es gut voran. Wir haben inzwischen eine gemeinsame Arbeitsgruppe aus dem ISO TC 147 Wasser und dem ISO TC 61 Plastic gegründet, die die Arbeit aufgenommen hat. Es liegen hier erste Entwürfe für ein Grundsatzdokument und Probenahme sowie die aktuell relevanten Detektionsverfahren (thermoanalytische aber auch spektroskopisch) vor. Die Vorschläge zu diesen Dokumenten basieren zu 90 Prozent auf Erkenntnissen des oben genannten Förderschwerpunktes.

Was die Definitionen angeht, haben wir diese in der ISO schon vor zwei Jahren festgelegt – leider, und das ist der sektoralen Organisation der Normungsgremien geschuldet, hat sich das noch nicht überall (auch nicht in der ISO) herumgesprochen. Nachzulesen sind die Definitionen zu Nano-, Mikro- und Makroplastik in der ISO TR 21960.

Aber auch wenn es von außen betrachtet nicht schnell genug voran geht, ist es richtig, den Weg der internationalen Standardisierung zu gehen. Wir leben in einer global aktiven Gemeinschaft. Die Meere verbinden die Kontinente und machen vor Staatsgrenzen nicht halt. Insofern kann eine Lösung auch nur gefunden werden, wenn es gemeinsame internationale Anstrengungen gibt. Einheitliche Methoden für einheitliche Daten sind da ein erster Schritt.

 

Die BKV hat gerade ihr Modell „Vom Land ins Meer“ mit dem Bericht „Kunststoffe in der Umwelt“ erweitert und bezieht nun auch Einträge in Böden und Binnengewässer in die Betrachtung ein. Welche Bedeutung messen Sie solchen Modellierungen im Allgemeinen und dem BKV-Modell im Besonderen bei?

Modelle sind ganz wichtig. Ihre Ergebnisse geben Anhalte, wo etwas zu tun ist und wo ggf. Dinge noch Zeit haben oder Daten fehlen – zum Beispiel auch aus dem Boden und dem Luftbereich. Da gibt es auch forschungsseitig noch erhebliche Aufgaben. Und damit sind wir wieder bei den Dingen aus der ersten und zweiten Frage: Nach welchen Verfahren wurden die Daten erhoben oder gemessen. Um gute valide Aussagen aus Modellen zu erhalten, braucht es valide Daten. Die Methoden, die wir aktuell standardisieren, werden in der Lage sein, solche Daten zu liefern. Um auf das BKV-Modell zurück zu kommen: Es gehört mit Sicherheit zu den Modellen, die nach meiner Kenntnis sehr weit entwickelt sind. Ergebnisvergleiche mit anderen zeigen da gute Übereinstimmungen in den Größenordnungen. Ich denke, auch im Fall der Modellierung kann die Normung eine Plattform sein, zwischen methodischen Ansätzen zu harmonisieren und Betrachtungen von möglichen Eintrags- und Verteil-Pfaden in die oder in der Umwelt noch präziser zu machen.

Unabhängig davon sind wir alle aufgefordert – im ganz persönlichen Bereich – darauf zu achten, dass weniger Plastik (und hier beziehe ich mich auf die weite Definition aus dem Förderschwerpunkt) in die Umwelt gelangt.

 

(Mai 2021)

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